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GRENZEN UND RÄUME

So, 15. Januar 2006
Beitrag von Dr. Luzian Paula
Gute 50 Jahre sind vergangen ... ... seit aus dem damaligen 24., 25. und 26. Wiener Gemeindebezirk wieder zahlreiche eigenständige Gemeinden des Wiener Umlandes wurden. 1954 sind neben anderen z.B. auch die Kommunen Klosterneuburg, Gerasdorf, Schwechat und Vösendorf (zum Teil gegen anderslautende Gemeinderatsbeschlüsse) wiedererstanden und in das Bundesland Niederösterreich eingegliedert worden. Die Fläche von "Groß-Wien" wurde um rd. 2/3 kleiner.

Seit der parteipolitisch motivierten Trennung des ehem. Kronlandes Niederösterreich im Jahr 1921 in die nachmaligen Bundesländer Wien und Niederösterreich hat mehrfach ein reger Flächentausch stattgefunden. Nun bedarf eine Diskussion dieses Themas allerhöchster Vorsicht, fand doch die Schaffung von Groß-Wien während der "Deutschen Zeit" statt und muss daher - wenn man die raumplanungsfachlichen Aspekte kommentieren will - mit subtilster Delikatesse behandelt werden, um nicht unversehens zwischen Skylla (= reiner Tor, sprich Fachidiot) und Charybdis (= Wolf im Schafspelz, sprich Altvorderer) zerrieben zu werden. Es soll trotz dieser Gefahr, die durch die Gnade einer späteren Geburt leider auch nicht gemildert wird, auf einige zeitliche Fakten in der jüngeren Entwicklung der Stadtregion Wien hingewiesen werden:
- 1857 erfolgte die Schleifung der Stadtmauer um Wien ("Es ist mein Wille ...") und danach erst die Eingemeindung der - als Kommunen eigenständigen - Vorstädte (Weißgerber, Landstraße, Wieden, Josefstadt u.a.).

Der Linienwall (heute Gürtel) bildete die neue (steuerliche) Stadtgrenze. - Parallel dazu bzw. zeitlich anschließend erfolgte die Eingemeindung der ehem. selbständigen Vororte (Simmering, Ottakring, Hernals u.a.). - Zu Beginn des 20. Jhdts. erfolgte erst der Sprung Wiens über die Donau und die selbstständigen Gemeinden Floridsdorf, Kagran, Aspern etc. wurden eingemeindet (Wäre Floridsdorf, wie damals vorgesehen, als NÖ Landeshauptstadt installiert worden, sähe heute einiges anders aus ...) - Erst 1921 wurde Wien aus Niederösterreich herausgetrennt und die lange, gemeinsame Verwaltungsgeschichte der Region fand ein Ende. Es hat also rd. 60 Jahre ständiger Grenzveränderungen bedurft, um ein den räumlichen Entwicklungen angepasstes Verwaltungsgebilde zu schaffen, das erst durch den 1. Weltkrieg in seiner Entwicklungsdynamik unterbrochen wurde. In den 17 Jahren zwischen 1921 und 1938 beherrschten andere Themen die Politik und erforderte zugleich die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung kein Überdenken der - falsch gezogenen - Verwaltungsgrenzen. In den 7 von den folgenden 1000 Jahren wurden radikale Änderungen in den Verwaltungsstrukturen durchgeführt, die zwar in Teilräumen Österreichs funktionalen Aspekten folgten, jedoch zu Recht nicht von Dauer waren. 9 Jahre lang gab es dann noch die Reste von Groß-Wien (siehe oben) und seit 1954 ...

... hat es mehr als 50 Jahre gedauert - und es wird noch länger dauern - , ohne dass auch nur ansatzweise über eine, der rasanten Entwicklungsdynamik der Stadtregion Wien entsprechende Verwaltungsstruktur diskutiert wird. Grundsätzlich interessante Beiträge (von meist steyrischen Politikern, wie z.B. Zusammenlegung mehrerer Bundesländer) werden leider rascher abgewürgt, als der guten Sache zustünde und dem Vorschlager lieb ist. Die bestehenden Landes- und Gemeindegrenzen in allen österreichischen Stadtregionen sind längst obsolet geworden und erfüllen ihre Funktion nur mehr bei Wahlgängen und der (ungerechten) Zuteilung von Steuermitteln aus dem Finanzausgleich. So leidet nicht nur die Ostregion unter dem immens hohen mehrgleisigen Verwaltungsaufwand, der u.a. auch einen sinnvoll abgestimmten Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen behindert. Einzig die Bevölkerung zeigt sich vernünftig und hat in ihrer Abstimmung mit den Füssen die antiquierten Grenzziehungen faktisch schon längst hinweggefegt. So dürfen auch Planer über Regionen diskutieren, ohne gleich ein ideologisches Mäntelchen umgehängt zu bekommen.

Und ein bisschen träumen wird ja wohl noch erlaubt sein ...