DER EINSATZ DES HAUSVERSTANDES IN DER SUP
Sa, 17. Februar 2007
Beitrag von Dr. Luzian Paula
1. Zur (erstaunlichen) Ausgangslage - die EU-Richtlinie zur SUP gilt europaweit für Alle - das dementsprechende SP-V-(Strategische Prüfung Verkehr)-Gesetz gilt österreichweit für Alle - die Abfall-, Umgebungslärm etc.-Regelungen gelten österreichweit für Alle - die Umsetzung in den Raumordnungsgesetzen wird jedoch unterschiedlich in 9 Bundesländern nicht mehr für alle österreichischen Bürger geregelt, sondern nur mehr für die jeweiligen Landesbürger; davon wird in 7 Bundesländern in den Landes-ROG’s, in 2 Bundesländern in eigenen SUP-Umsetzungsgesetzen die (europaweite) SUP-Richtlinie umzusetzen versucht (was gilt jetzt eigentlich für "die" Österreicher ?) - die Spielwiese föderalen Vorgehens ist eröffnet: weil in einem Bundesland schon wenige m² neuen Baulandes als SUP-pflichtig angesehen werden, muß im anderen Bundesland eine gewisse Großzügigkeit gelten (ein Unterschied darf ja zur Hebung der Landesidendifikation wohl erlaubt sein ...) - ... und eine RVP (Raumverträglichkeitsprüfung) und eine NVP (Naturverträglichkeitsprüfung) und eine UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) gibt’s dann auch noch ... - der Einsatz des Hausverstandes ist daher überlebenswichtig und (nicht nur bei der SUP) in der örtlichen Raumplanung gefragt und dringend notwendig 2. Die Landesgrenzen bedingen (unterschiedliche) SUP-Methoden und Verfahren - Beispiele für die (verwirrende) Praxis in Österreich - z.B. Leitfaden Steiermark > die stark verschulte und reglementierte Methode bringt zwar in allen stmk. Gemeinden vergleichbare Ergebnisse, österreichweit sind diese aber nicht vergleichbar - z.B. Verfahren Niederösterreich > hier entscheidet sehr stark der persönliche Zugang des jeweiligen Amtssachverständigen über den Untersuchungsrahmen und damit die Untersuchungserfordernisse in der SUP - z.B. Verfahren Burgenland > späte Regelung im Raumplanungsgesetz getroffen, Beurteilungsspielraum erfreulicherweise nicht zu eng gefasst - z.B. Vorgangsweise Oberösterreich >: eine FWP-Änderung wird ohne eigene SUP abgehandelt, wenn der Rahmen bereits im ÖEK behandelt wurde - z.B. Vorgangsweise in Wien: Selbstprüfung durch widmungsdurchführende Behörde 3. Zur (unterschiedlichen) Anwendungspraxis ein paar Beispiele aus den Bundesländern - Wien: Widmung neuer Hauptbahnhof (UVP-pflichtiges Städtebauprojekt mit Widmung für 5.000 Whg + 20.000 AP) > [Übereinstimmung mit den Zielen der Stadtplanung erkannt, daher keine EUA durchgeführt] -
Niederösterreich: Widmung für 1 Würstelstand, (seit 40 Jahren bestehend, benötigt auf Grund geänderter rechtlicher Regelungen eine Baulandwidmung) [keine SUP-Pflicht angenommen, nach Meinung des ASV doch EUA erforderlich, daher Umweltbericht erstellt (UB), jedoch keine Auswirkungen feststellbar, Ergebnis außer Zeitverzug: keines] -
Burgenland: Widmung Windpark (8 Windräder) [in den unmittelbar benachbarten Gemeinden bestehen großflächige Windparks, Problem Gemeindegrenze, weil innerhalb noch kein Windrad errichtet, EUA oder nicht?;
Entscheidung durch andere Vorgaben (politisch) gelöst] - Steiermark: Umwidmung Industriegebiet in Gebiet für Einkaufszentren (geplante Errichtung eines Factory Outlet Centers mit 16 ha Widmung) [EUA erforderlich oder nicht?, nein, weil Gebiet bereits als Industriegebiet gewidmet ist, daher kein UB erforderlich] - Kärnten: alle (?) Bebauungspläne müßen einer SUP unterzogen werden [noch keine Erfahrungen vorliegend; wo aber sind aber bei diesem Planungsinstrument die erheblichen Umweltauswirkungen ?] 4. (Kritische) Anmerkungen mit Hausverstand - Es ist alles eine Frage des Maßstabes und daher relativ zu sehen: (geprüft werden z.B.: mehrere ha vs wenige m² neuen Baulandes) - Veränderungen im Bestand (die nicht SUP-geprüft werden) können weit umwelterheblichere Auswirkungen als Neuwidmungen haben (z.B. Baulandreserven im NÖ Weinviertel: 13.000 ha bebaut / 3.000 ha unbebaut = 290.000 EW Bestand / 66.000 EW Potential, dieses ermöglicht zusätzlich 36.000 EW, die aber deutlich über den Prognosewerten liegen, somit nicht realistisch sind; welche Werte werden jetzt einer SUP unterzogen ?) - Berücksichtigung von topographischen Standortgegebenheiten: z.B. Graz, Linz &tc., hier dürften aus heutiger Sicht Siedlungen und schon gar keine Städte mehr neu erichtet werden (mangelnde Durchlüftung, hohe Umweltsensibilität) - Gesellschaftspolitische Entwicklungen - falsche Folgenabschätzung und Zeitablauf ergeben andere Zielvorgaben samt Problemen:
z.B. Schottergrube beabsichtigt samt späterer Industrienutzung geplant; in der Zwischenzeit siedelt sich der geschützte Triell an > die ursprünglich als umweltverträglich angesehene Folgenutzung kann nicht mehr realisiert werden > welche strategischen Ziele gelten jetzt ? - Fremdkompetenzen entscheiden auch ohne SUP über erhebliche Umweltauswirkungen (Gesetzesänderungen betreffend Wohnbauförderung, Wärmedämmung, Pendlerpauschale etc.) - Wir fassen zusammen: es ist alles relativ und die Zukunft wie immer dunkel 5. (Sinnvolle, mögliche und sinnlose) Einsatzgebiete einer SUP - Notwendig für neue hochrangige Straßen, Eisenbahnen, Schiffskanäle ("SP-V") - es gibt aber keine neuen Strecken mehr in Österreich, die geprüft werden könnten - ÖEK - notwendig und sinnvoll, - jedoch 95% der räumlichen Struktur sind als Bestandsvorgabe zu berücksichtigen (Rechtssicherheit), welche Alternativenprüfung ist denn hier noch möglich? - FWP - Einsatz des Hausverstandes und Berücksichtigung des Maßstabes betreffend die geplanten Änderungen notwendig, Kommunalpolitische Entscheidung und Bodenverfügbarkeit als entscheidende Parameter; Alternativenprüfung daher mehr als fraglich, oft nur mehr als Pflichtübung möglich - BEB - Irrtum oder Überinterpretation der Richtlinie? Erhebliche Umweltauswirkungen sind z.B. nur beim geplanten Hochhaus in Vösendorf zu erwarten - diese hätten aber schon bei der Flächenwidmung berücksichtigt werden müssen (!) 6. Erste (pragmatische) Erfahrungen eines kleinen Raumplaners mit der SUP aus der Froschperspektive der örtlichen Planung - ca. 90% der seither durchgeführten Widmungen sind ohne Feststellung von EUA durchgeführt und genehmigt worden - ca. 10% der durchgeführten Widmungen wurden bei Feststellung von EUA nach einer SUP mit einem UB fertiggestellt und genehmigt - es wurde bislang kein Widmungsfall bekannt, wo nach Durchführung einer SUP eine grundsätzlich andere oder keine diesbezügliche Widmung vorgenommen worden wäre - es wurde bislang kein Widmungsfall bekannt, wo die Alternativenprüfung zu einer anderen Widmungsfestlegung geführt hätte - ein zusätzlicher Verfahrens- und Zeitaufwand für Umwidmungen samt Mehrkosten ist jedenfalls (im Ausmaß bundesländerabhängig) festzustellen, ohne jedoch die Qualität, Nachvollziehbarkeit oder Bürgerbeteiligung bei Umwidmungen gegenüber den bisherigen Regelungen zu verbessern - wer nicht schon bisher bei Umwidmungen strategisch gedacht hat - wobei die Prüfung von "erheblichen Umweltauswirkungen" neben anderen ausschlaggebenden Fakten immer schon ein Bestandteil raumplanerischer Überlegungen war - ist sowohl als Politiker wie auch als Planer längst gescheitert - ... und darf hier gar nicht mehr mitspielen! Wir aber wollen froh in eine bessere Zukunft blicken und dürfen festhalten:
es gibt auch in Zukunft noch viel zu prüfen. Bevor uns aber auch noch eine Prüfungsverträglichkeitsprüfung in’s Haus steht, sollten wir die SUP unverzagt mit Hausverstand anpacken und glücklich hinter uns bringen. Die Raumplanung hat in ihrer langen Geschichte schon andere Probleme gemeistert ...